Stammestänze der schwarzen Szene
GOTHIC TRIBAL STYLE BELLYDANCE

Bei dieser Tanzform handelt es sich um die Adaption des Tribal Style Dance (früher: American Tribal Style) auf Bewegungen und Stilistik der schwarzen Szene.

Ebenso wie die Gothic-Szene von zahlreichen, nicht immer miteinander vereinbaren Stilen geprägt ist, kann Gothic Tribal eine Vielzahl von Ausprägungen erhalten: von der ruhigen, fließenden Bewegungsästhetik der Neo-Romantik bis zur militärisch-eckigen Härte des "Electro-Nahkampf"-Stils.

Gemeinsam ist allen Varianten die Verwendung von Bewegungen aus dem Tribal Style als Basis des Repertoires und der Einsatz von Cues – kleinen Zeichen zur Verständigung der Tänzerinnen untereinander.


Von seinem Vorläufer unterscheidet sich Gothic Tribal durch die Übernahme der düster-ästhetischen Stilistik der Gothic-Szene und der Erweiterung des Emotionsspektrums: Ist beim klassischen Tribal Style das grundsätzliche Muster ein positives und lebensbejahendes, bezieht Gothic Tribal die negativen Gefühle wie Hass, Wut, Trauer, Angst und Hilflosigkeit mit ein, aber auch kreatürliche Impulse wie Lust, Trotz, Aufbegehren und Verlangen.

Gothic Tribal und seine Verwandten Gothic Fusion und Gothic Bellydance verleugnen diese Empfindungen nicht; sie destillieren sie und erzeugen aus ihnen eine eigene Ästhetik, die in ihrer Ehrlichkeit auf viele verstörend wirkt.


Damit zieht Gothic Tribal meist Tänzerinnen an, die bereits derartige Gefühle durchlebt haben – und an diesen Situationen gewachsen und stärker geworden sind. Viele fühlen sich von der "Zuckerguss"-Mentalität der Spaßgesellschaft abgestoßen, die unangenehme Dinge ausklammert und unter den Teppich kehrt. In der Gothic-Szene finden sie Gleichgesinnte und Verstehen.


Für viele Gothic-Tribaletten ist die tänzerische Auseinandersetzung mit ihren Gefühlen eine gesunde Katharsis. Das Ergebnis kann entweder introvertierter und verletzlicher sein als im Tribal Style, oder aber aggressiv und extrovertiert.



GRUPPENARBEIT UND CUE-SYSTEM

Gothic Tribal Style ist ein Gruppentanz. Seine Grundlage ist das Gemeinschaftserlebnis durch den gemeinsamen Tanz. Ebenso wie sein Vorgänger Tribal Style verzichtet Gothic Tribal auf Choreographien. Alle Performances sind improvisiert. Damit sich die Tänzerinnen in den Bewegungen aneinander anpassen können, geben sie sich untereinander Zeichen (Cues), die die jeweils nächste Bewegung oder Formation anzeigen.

Diese wortlose Verständigung bedingt ein intensives Aufeinander-Achten und einen starken Rapport der Tänzerinnen untereinander. Diesem tranceartigen Zustand des Aufgehens in der Gruppe sind bisweilen esoterische Attribute beigeschrieben worden; aber auch mit reiner Psychologie kann erklärt werden, warum sich im gemeinsamen Tanzkontinuum Spannungen lösen und ein kraftvolles Gemeinschaftsgefühl einstellt.

Auftrittsgruppen im Gothic Tribal Style bezeichnen sich in Anlehnung an Tribal Style-Gruppen als "Stamm" oder "Tribe". In diesem Wort schwingt die intensive Verbundenheit der Tänzerinnen mit, die sich meist über die gemeinsamen Auftritte hinaus auch im privaten Bereich einstellt.


FORMATIONEN

Für das Geben und Erkennen von Cues ist eine gute Formationsarbeit wichtig. Allen Formationen ist gemeinsam, dass alle Tänzerinnen eine gute Sicht auf die gerade "führende" Frau haben. Für den Wechsel der Formation gibt es eigene Zeichen.


FAKES, WEEKENDER UND BABY BATS

Die Gothic-Szene fühlt sehr fein und kann in der Regel eine unauthentische Performance vom "real thing" sehr gut unterscheiden. Authentizität im schwarzen Fühlen und in den Ritualen der Subkultur ist wichtiger Bestandteil eines Gothic Tribal-Stammes. Stämme, die nicht aus der schwarzen Szene stammen und lediglich für Auftritte die Gothic-Ästhetik borgen, entlarven sich meist schnell als "Fakes" oder "Weekender" ("Normalos", die sich nur am Wochenende in schwarze Schale werfen).

Das schwarze Befinden fordert zwar die Auseinandersetzung mit den eigenen negativen Empfindungen und die Selbstdarstellung in der schwarzen Stilistik – aber auch eine gewisse Gelassenheit im Umgang mit diesen Elementen.
Neue in der Szene, insbesondere Jüngere, neigen hier zur Übertreibung. Vampirzähne, Teufelshörnchen, Pannésamt-Umhänge, Flügelchen und ähnliche Accessoires geben ihre Trägerin schnell als "Kleingrufti" oder "Baby bat" der Lächerlichkeit preis.

Das übertriebene Schwelgen in aufgesetzten oder aufgeblasenen Gefühlen schlägt ebenso in diese Kerbe und hat in der Szene die abwertende Bezeichnung "Emo-Bauchtanz" geprägt.




















Requisiten Training:
Sporthose und Top

Requisiten Performance (Electro, Wave):
Kopfschmuck oder Turban, BH, Armstulpen, Rüschenhose, Hotpants, Dangerpantz oder Melodia-Hosen, Netzstrümpfe und/oder -top, Gürtel mit Fransen, Filz- oder Stoffstreifen, Schmuck

Requisiten Performance (EBM, Industrial):
BH, Armstulpen, schwarze Militärhose, Hotpants oder Dangerpantz, eventuell Tank Top oder Unterhemd, Militärstiefel

Requisiten Performance (Neoromantik):
Kopfschmuck oder Turban, BH, Spitzenarmstulpen oder -handschuhe, Rock, Gürtel mit Fransen, Filz- oder Stoffstreifen, Schmuck, evtl. Stiefeletten


No-Go:
Bauchtanzflitter, Vampirzähne, Teufelshörnchen, Flügelchen, Dreizacke oder ähnliche Karnevalsaccessoires
Korsett oder Corsage (schränken die Beweglichkeit der Hüfte ein)
BEWEGUNGEN

Jeder Musikstil des Gothic- und Indie-Komplexes hat eine eigene Tanzform, deren Bewegungen mit in die Gothic Tribal-Performance aufgenommen werden können. Gothic Tribal ist eine Mischung dieser Elemente mit Tanzfiguren des orientalischen Tanzes und des Tribal Style.

Die häufigsten adaptierten Stile und Bewegungen sind:

GOTHIC DANCEFLOOR MOVES
Dies sind mehr oder weniger universelle Figuren von den Tanzflächen der schwarzen Clubs. Die meisten dieser altehrürdigen Bewegungen, wie z.B. der "Totengräber" stammen noch aus der Dark Wave-Bewegung der 90er Jahre.

RITUAL
Der Ritual-Stil ist meist langsam und gemessen und stellt heilige oder magische Kulthandlungen dar. Häufig wird mit Requisiten, wie z.B. Kelchen, Masken oder Schwertern gearbeitet. Das Kostüm ist oft voluminös und soll durch seine Opulenz den Ritualcharakter unterstützen.

ELECTRO / EBM / INDUSTRIAL
Die aggressiven, schnellen Beats dieser Musikrichtungen erfordern harte, genau abgezirkelte Bewegungen. Insbesondere die Arme führen komplexe Figuren aus, die nicht nur große Beherrschung, sondern auch Kraft und Ausdauer erfordern – besonders in Rücken und Armen. Wegen des schnellen, dynamischen Charakters und der ausgreifenden Bewegung wird dieser Stil oft scherzhaft als "Electro-Nahkampf" bezeichnet.

EBM und Industrial sind der Rave-Szene verwandt. Das Kostüm geht meist in Richtung Cybergoth – Atemmasken, Fliegerbrillen, neonfarbene Haarteile oder Fell-Beinstulpen, Schläuche und Lack. Es muss dabei erwähnt werden, dass gerade professionelle Industrial-Tänzer meist ein eher sparsames, minimalistisches Outfit tragen, um beim Tanz weniger behindert zu werden.

DYNAMIC MOVES - SEXY MOVES
Diese Bewegungen sind aus dem Gogo Style entlehnt. Sowohl dynamische als auch sexy Bewegungen aus dieser Richtung können in Gothic Tribal einfließen und verleihen der Show extrovertierten Pep. In Verbindung mit Drama oder Danse Macabre können sie einen intensiven Kontrast ("Thanatos - Eros") ergeben, der das Publikum gleichzeitig fasziniert und abstößt.

WILLOW PATTERN
Diese wellenartigen oder schwankenden Bewegungen hauptsächlich des Oberkörpers findet man häufig zu ruhiger Musik auf den Tanzflächen der Gothic-Clubs. Die Arme werden entweder nah am Körper gehalten, führen weiche Bewegungen (Floreos) aus oder schwanken über dem Kopf ("Trauerweide"). Charakteristisch ist die enge Fußstellung, Bewegungen werden häufig aus Knie und Hüfte erzeugt.

DANSE MACABRE
Der Danse Macabre soll verstörend wirken und arbeitet mit Bewegungen, die für einen Menschen untypisch sind – verrenkte oder verdrehte Gliedmaßen, Zombie-Shuffle, Zuckungen oder Wellen, die durch den ganzen Körper laufen. Die Tänzerinnen "entmenschlichen" sich durch ihren Tanz. Ähnlich dem Butoh-Tanztheater entwickeln sie eine eigene verzerrte Ästhetik, die auf den Betrachter zunächst abstoßend wirken kann, aber durchaus in sich schlüssig ist.

Häufig wird diese Ästhetik noch durch ein Kostüm unterstrichen, das die Tänzerinnen noch weiter ihrer Menschlichkeit beraubt: Beispiele sind Fesselungen (Bondages), blutiges, entstelltes Make-up, Verhüllung des Gesichts durch Gasmasken oder Tücher, Mumifizierung von Körper und Gliedmaßen durch Binden. Auch Krankenhausutensilien wie Patientenbändchen, Spritzen oder Mundschutz finden Verwendung.

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ARZO RENZ

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